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KÖNIG GALERIE
“Alicja Kwade: Entitas”
by Timon Karl Kaleyta
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Was aber ist es dann, das die Welt – wie es in Goethes Faust heißt – „im Innersten zusammenhält“? Und was genau geschieht inmitten der schier unendlichen Leere, die alles umfängt? Wenn die Erkenntnisse der Physik so wenig zum konkreten Verständnis der Welt beitragen können, eher alles in Frage stellen, was den begrenzten Sinnen des Menschen zugänglich ist, dann braucht es andere Arten des Verstehens jenseits der Wissenschaft.
Die Berliner Künstlerin Alicja Kwade, die in ihrer Arbeit immer wieder die Unternehmung wagt, wissenschaftliche Fragestellungen in künstlerische Konzepte zu überführen, gibt mit ihrer Ausstellung Entitas poetische, intuitiv erfassbare Antworten auf die Frage, was in den unsichtbaren Zwischenräumen der Erkenntnis geschieht, was sich ereignet zwischen zwei Wimpernschlägen, zwischen zwei Blicken.
Mit dem Ausstellungstitel Entitas (mittelaltlateinisch für „Entität“) bezieht sie sich unmittelbar auf die Frage nach dem Wesen der Dinge: Woraus ist die Welt gemacht? Und mindestens genauso wichtig: Welche Informationen stehen uns zur Beantwortung dieser Frage überhaupt zur Verfügung? [...]
Das Nichts, die Leere sind so real wie unüberbrückbar. Kein Zauber, keine Alchemie, keine Wissenschaft kann sie für den Menschen mit Sinn füllen. Alles, was er tun kann, ist, sie mit und in der Kunst immer wieder, blitzlichtartig für einen flüchtigen Moment auszuleuchten.
Vor Jahren las Kwade einen Findling auf, lies ihn mittels 3D-Technik exakt vermessen und nachbilden und arbeitet seither immer wieder mit ihm in zahlreichen Kopien. Das einstige Unikat, geformt durch Urgewalten, Erosion und Zufall, taucht in der Arbeit Trans-For–Man (8) (2018), noch einmal in acht Zuständen auf und durchläuft dabei eine schrittweise Verwandlung bei stets gleichbleibendem Volumen.
Ausgehend vom „Original“ wird der Stein zur einen Seite hin in seiner Komplexität immer weiter bis zum Oktaeder herunterreduziert, auf der anderen Seite steigt die für seine Beschreibung notwendige Informationsdichte bis zur perfekten Kugel stetig an. Kwade nutzt, wie häufig, Werkzeuge der Mathematik – in diesem Fall die Fibonacci-Zahlenfolge, ein natürliches Wachstumsmuster der Natur, das dem Goldenen Schnitt entspricht. So nähern sich nun von beiden Enden her die abstrakt-geometrischen Formen wieder dem Naturobjekt an – wann ist es noch ein Stein und wann nicht mehr? [...]
Alles könnte immer auch anders sein, das offenbart Entitas dem Besucher. Und wie aus nichts etwas entsteht, davon ahnt man etwas beim Betrachten von Multi-Teller (2018). Blickt man durch die spiegelpolierten Edelstahlrohe hindurch, in denen nichts ist, verliert man den Bezug zur Umwelt, die Distanz zur Welt hinter der Röhrenverstärkung geht verloren. Und doch, wie Parallelwelten liegen um die Skulptur herum blau-glänzende Macauba-Kugeln – es scheint, als habe diese Welterschaffungsmaschine sie gerade eben ausgespuckt. Aber woher sollten sie kommen?
Das Nichts, die Leere sind so real wie unüberbrückbar. Kein Zauber, keine Alchemie, keine Wissenschaft kann sie für den Menschen mit Sinn füllen. Alles, was er tun kann, ist, sie mit und in der Kunst immer wieder, blitzlichtartig für einen flüchtigen Moment auszuleuchten.
translation As put forward by Goethe’s Faust, the universal question remains: what is it that “binds together the world’s innermost core?” What exactly happens in the midst of infinite emptiness that encompasses everything? If the findings of physics contribute only marginally to the definite understanding of the world, we are left to question a realm only somewhat comprehensible by our limited human senses. We therefore require alternative ways of understanding that reach far beyond the arenas of science. Taking the original as the starting point, one side of the stone is continuously reduced to an octahedron, while the other side sees a steady increase towards a perfected sphere. As so often in her work, Kwade here utilises tools of mathematics, namely the Fibonacci number sequence—a natural growth pattern found in nature that corresponds to the Golden Ratio. The abstract geometric forms thereby reapproach the natural object from both ends. The question arises: at what point does the stone cease to be a stone? [...] |
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“Alicja Kwade: Entitas”
by Timon Karl Kaleyta
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excerpt As put forward by Goethe’s Faust, the universal question remains: what is it that “binds together the world’s innermost core?” What exactly happens in the midst of infinite emptiness that encompasses everything? If the findings of physics contribute only marginally to the definite understanding of the world, we are left to question a realm only somewhat comprehensible by our limited human senses. We therefore require alternative ways of understanding that reach far beyond the arenas of science. Taking the original as the starting point, one side of the stone is continuously reduced to an octahedron, while the other side sees a steady increase towards a perfected sphere. As so often in her work, Kwade here utilises tools of mathematics, namely the Fibonacci number sequence—a natural growth pattern found in nature that corresponds to the Golden Ratio. The abstract geometric forms thereby reapproach the natural object from both ends. The question arises: at what point does the stone cease to be a stone? [...] |
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